KI im Anforderungsmanagement

Warum KI mir beibringt grau zu mögen

KI ist weiterhin ein leuchtender Stern am Technologie-Himmel. Auch wenn die konkrete Weiterentwicklung noch unklar ist, hat sich unser Requirements Engineer Andreas Gahr mit dem heutigen Zustand befasst und einige Anwendungsmöglichkeiten identifiziert.

Klarheit ist etwas Schönes. Klares Wetter hilft mir beim Autofahren Gefahren und Hindernisse auf große Distanz zu erkennen. Klares Wetter hilft mir aber auch beim Blick aus dem Fenster die schönen Details der Natur besser wahrzunehmen.

Genauso wie ich in der Natur die Klarheit liebe, freue ich mich als Requirements Engineer Klarheit in die Anforderungen zu bringen. Denn diese Klarheit ist mein größtes Ziel: Product Owner, Projektleiter, Softwarearchitekten und Entwickler sollen einen gemeinsamen Blick haben, die Details betrachten aber auch mögliche Risiken frühzeitig erkennen können.
In meiner eigenen Berufswelt sehe ich aber aktuell eine große Wolke der Unklarheit auf mich zukommen. Diese Wolke heißt KI.

Alleine bei einer oberflächlichen Betrachtung der Wolke ist unklar, ob sie uns als Requirements Engineers ersetzt, unsere Tätigkeiten und Aufgaben komplett durcheinanderweht oder an uns vorbeizieht.
Ich habe für mich beschlossen, dass ich mich von der Wolke nicht verschlingen lasse. Vielleicht kann sie mir sogar helfen, andere dunkle Wolken zu vertreiben und dadurch ein sonniges Plätzchen zu erschaffen.

Adieu langwierige Kontextarbeit

Ein relevanter Teil meiner Tätigkeit ist die Anforderungserhebung. Ziel ist herauszufinden:

  • In welchem Kontext bewege ich mich?
  • Was soll gemacht werden?
  • Was ist gewünscht?
  • Was ist notwendig?

Bisher habe ich mir für die Vorbereitung auf ein Projekt einige öffentlich-zugängliche Quellen durchgelesen und dann zur Verfügung stehende internen Quellen betrachtet. So hatte ich zu Beginn ein grobes Bild. Anschließend wurde dieses in Gesprächen mit fachlichen und technischen Kollegen verfeinert.

Das grobe Bild für die Vorbereitung kann ich mit Hilfe der KI viel schneller erstellen. Bei den öffentlichen Quellen wird mir bereits eine lange Suche erspart. Zusätzlich zur Zeitersparnis bei der Suche kann ich öffentliche und – sofern gestattet - interne Quellen mit KI viel schneller analysieren und auswerten. Aber bei den Feinheiten ist es weiterhin notwendig mit den Menschen zu sprechen und mit ihnen zusammen das Zielbild erstellen.

Dokumentation und gute Bilder

Während nun die Anforderungen erhoben werden, sollten diese auch dokumentiert werden. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten: Die erste ist mittels Modelle oder Diagramme und die zweite ist in natürlichsprachlicher Form.

KI bietet hier die Möglichkeit schnell Modelle zu erstellen. Wichtig ist dabei, welche KI genutzt wird und welche Daten an diese überhaupt übermittelt werden dürfen. So ist zum Beispiel bei einem textbasierten Tool wie ChatGPT die Generierung von PlantUML-Code als textuelle Möglichkeit der Darstellung angeraten. Online-Converter können dann mit diesem Code in kurzer Zeit ansehnliche UML-Modelle generieren.

Aber auch im Bereich der natürlichsprachlichen Dokumentation hilft mir die KI bei der Formatierung. Insbesondere wenn es lange Texte als Anforderungen gibt, kann die KI daraus mittels einer einfachen Anfrage schnell bestimmte Formate ableiten. Sei es, weil die Formatierung in Given-When-Then die Testfallerstellung vereinfacht oder weil eine Anforderung im User-Story-Format einfacher zu verstehen und zu kommunizieren ist.

KI-Einfluss auf die vier Hauptaufgaben des RE nach IREB

Schlechte Anforderungen schnell verbessern

Wenn nun die erhobenen Anforderungen in Schriftform vorliegen und gegebenenfalls auch bereits (mit Hilfe von KI) formatiert worden, ist die Qualität noch nicht sichergestellt. Qualität bedeutet dabei nicht fachliche Korrektheit, sondern die Art und Weise der Beschreibung. Insbesondere sollte bei Anforderungen vermieden werden, dass sie unvollständig oder unspezifisch sind, dass sie im passiv stehen oder Begriffe wie „alle“, „nie“ bzw. „immer“ beinhalten.

Es ist bereits seit einigen Jahren möglich diese Anzeichen von schlechten Anforderungen zu erkennen. Neu ist durch die Einführung generativer KI aber die Möglichkeit, diese Anforderungen sofort verbessern zu lassen.

Konsistente Änderung hilft dem gesamten Projekt

Ein letzter Punkt, den ich hier nennen möchte, ist die konsistente Umsetzung von Änderungen an Anforderungen. Auch mit dem Einsatz von KI wird es nicht verhindert werden können, dass sich Anforderungen im Projektgeschehen ändern – aber die Pflege wird leichter.

Als Requirements Engineer ist es mein Ziel jederzeit Anforderungen zu überblicken und die Beziehungen zu kennen. Dabei werde ich auch durch verschiedene Sichten auf Anforderungen unterstützt. Leider ist dieser Anspruch keine Garantie dafür, in Projekten mit mehreren tausend Anforderungen alle Zusammenhänge im Blick zu haben. Hier kann KI helfen. So können mir diese Beziehungen aufgezeigt oder bei der Änderung einer Anforderung alle abhängigen Elemente auf Konsistenz überprüft werden.

Ausblick

Dies alles sind nur einige wenige Auswirkungen, die sich bereits jetzt erkennen lassen. Grundsätzlich kann KI also dabei helfen, langwierige Fleißtätigkeiten zu übernehmen und Probleme zu beheben, bevor sie entstehen. (z.B. bei der Anforderungsqualität)
Ich als Requirements Engineer habe dadurch die Möglichkeit mich noch mehr dem Kunden zuzuwenden und als KI-Anwender und Ergebnisprüfer zu agieren. So ist mein zukünftiger sonniger Platz beim Kunden und die Wolken über die Stunden an Formatierung und Modellerstellung lasse ich mir von der KI vertreiben.

 

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