Homeoffice

Ist das wirklich so komfortabel wie man glaubt?

Vor- und Nachteile der Arbeit zu Hause, sowie nützliche Tipps, damit es funktioniert.

Herausforderung Heimarbeit

Bislang war mein Berufsleben als Individual-Software-Entwickler geprägt von Einsätzen in Projekten beim Kunden vor Ort. In der Regel hat der Kunde ein besseres Gefühl, einen Ansprechpartner vor Ort zu haben; die Wege sind kürzer und direkter.

Die Entwicklung der letzten Wochen hat Firmen zum Umdenken gezwungen. Viele Betriebe haben innerhalb kürzester Zeit eine Infrastruktur geschaffen, die es den Mitarbeitern ermöglicht, ihre Arbeit von zu Hause zu verrichten. Da dies für Angestellte, die bislang immer im Büro gearbeitet haben, eine ungewohnte Situation ist, möchte ich in diesem Artikel auf die Vor- und Nachteile vom Arbeiten im Homeoffice eingehen. Abschließend werde ich einige Tipps und Regeln aufstellen, die das Arbeiten in agilen, verteilten Softwareentwicklungsteams erleichtern können.

Vorteile im Homeoffice

Flexibilität

Als Heimarbeiter hat man den Vorteil, seine privaten Termine viel flexibler in den Arbeitsalltag einzubauen, sei es, um die Kinder bei den Schulaufgaben zu unterstützen oder einfach eine längere Mittagspause zu machen, in der man für seine Familie kocht. Wichtig ist, dass klar kommuniziert wird, zu welchen Zeiten man am Arbeitsplatz erreichbar ist. Außerdem gilt die Regel, dass Termine im Arbeitskalender vorgehen und das tägliche Arbeitspensum erfüllt werden muss.

Zeitersparnis

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie viel Zeit durch das Pendeln zur Arbeit verloren gehen kann. Statt sich morgens und nachmittags mit dem Auto in den Stau zu stellen oder in überfüllten, öffentlichen Verkehrsmitteln seine Zeit zu verbringen, um ins 60 km entfernte Büro bzw. wieder nach Hause zu fahren, reichen im Homeoffice meist 10m von der Küche bis ins Arbeitszimmer, um seine Arbeit aufzunehmen. So kommen täglich gut und gerne ein bis zwei Stunden zusammen, die man anderweitig verplanen kann.

Geldersparnis

Neben der Zeitersparnis fallen auch reduzierte Kosten positiv ins Gewicht: Fahrtkosten entfallen, ebenso Kosten für Kantinenessen, bzw. den Snack in der Mittagspause oder den oftmals obligatorischen Kaffee zum Mitnehmen. Außerdem spart man Geld für Arbeitskleidung und deren Reinigung.

Produktivitätssteigerung

Im Homeoffice ist es viel einfacher möglich, konzentrierter und produktiver zu arbeiten. Kein Kollege, der einfach mal vorbeikommt, um bestenfalls eine arbeitsrelevante Frage zu stellen, keine Störungen durch Krach im Großraumbüro, kein Vorgesetzter, der einem ständig über die Schulter schaut, um Statusupdates einzufordern. Durch diese reduzierten Stressfaktoren bekommt man in kürzerer Zeit mehr Arbeit geschafft.

Nachteile im Homeoffice

Ablenkung

Im Büro befindet man sich in einem arbeitsfördernden Umfeld. Dieses kann zu Hause mit der Einrichtung eines Arbeitszimmers ebenfalls geschaffen werden, nichtsdestotrotz ist das Ablenkungspotential in den eigenen vier Wänden ungleich höher: Im Wohnzimmer lockt der Fernseher und die Spielkonsole, das Internet ist lediglich einen Klick entfernt. Der Postbote und der Paketlieferant geben sich die Klinke in die Hand und den wöchentlichen Hausputz oder kleine Reparaturarbeiten kann man natürlich auch nebenbei erledigen. Wie man dies vermeiden oder zumindest reduzieren kann, werde ich im weiteren Verlauf dieses Artikels erörtern.

Fehlende soziale Kontakte

Der Mensch ist ein soziales Wesen; dies wurde und wird in diversen Untersuchungen innerhalb der Sozialpsychologie bestätigt. Durch das Arbeiten im Homeoffice fallen kurze Abstimmungsmeetings mit Kollegen weg, ebenso Smalltalk in der Kaffeeküche oder der allgemeine Flurfunk. Arbeitet man nur zu einem gewissen Prozentsatz im Büro, kann es schnell passieren, dass man sich außerhalb der dort etablierten Gruppen befindet und ein wenig den Anschluss verliert. Telefonkonferenzen oder Videoschaltungen sind kein adäquater Ersatz. Die Gefahr der sozialen Vereinsamung besteht.

Fehlende Distanz zwischen Arbeit und Privatleben

Im vorherigen Abschnitt noch als Vorteil angepriesen, wird der sich in der Wohnung befindende Arbeitsplatz nun zu einem negativen Punkt. Während man beim Arbeiten in der Firma die Arbeit mit dem Verlassen des Büros zurücklässt, ist sie im Homeoffice nur eine Tür entfernt. Die Gefahr zu lange mit zu wenig Pausen zu arbeiten, ist imminent. Selbst abends im Kreis der Familie drehen die Gedanken sich noch um das Problem, welches man tagsüber hatte und die Verlockung, sich eben noch einmal fünf Minuten vor den Rechner zu setzen ist groß. Helfen können klare Regeln, mit denen man das private Umfeld vom Arbeitsumfeld strikt trennt.

Längere Kommunikationswege

Im Büro kann man bei Problemen schnell mal den nebenan sitzenden Kollegen fragen oder spontan Meetings einberufen, um auf aktuelle Strömungen im Projekt einzugehen. Wenn man nicht weiß, an wen man sich im Zweifelsfall wenden kann, fragt man schnell im Büro herum und erhält in der Regel Hilfestellungen.  Dies ist im Homeoffice ungleich schwieriger. Dort ist man auf Telefonate oder asynchrone Kommunikation wie E-Mail oder Messenger angewiesen, um seine Themen zu platzieren. Arbeiten andere Kollegen ebenfalls im Homeoffice, kann sich die Kontaktaufnahme ein wenig in die Länge ziehen, da auch die Kollegen mehr Zeit am Telefon verbringen als in der Firma. So können Stunden vergehen, bis man bei Problemen Hilfe erhält.

Homeoffice – so klappt‘s

Infrastruktur

Grundvoraussetzung für das Arbeiten von zu Hause ist, dass die Firma eine funktionierende Infrastruktur zur Verfügung stellt, mit der es möglich ist, einen Großteil (wenn nicht alle) der anfallenden Tätigkeit von außerhalb des Büros zu erledigen.

In Softwareprojekten arbeitet man in der Regel mit mehreren Entwicklern an einer gemeinsamen Codebasis. Diese liegt meistens auf einem Server im Firmennetzwerk, welcher von außen nicht zu erreichen ist. Gleiches gilt oftmals für Dokumente bzw. Dokumentation im Allgemeinen und Arbeitsfortschrittnachverfolgungstools. Diese Arbeitsmaterialien ins Internet auszulagern ist aus sicherheitstechnischen Gründen meistens nicht möglich. Somit muss der Betrieb ein stabiles Netzwerk mit genügend Bandbreite zur Verfügung stellen, mit welchem man sich unter Aufrechterhaltung bestimmter Sicherheitsstandards verbinden kann. VPN-Tunnel sind hier oft das Mittel der Wahl. Diese können mit einem Dongle weiter abgesichert werden.

Ein mobiles Arbeitsgerät ist auch unerlässlich. Wer im Büro an einem Desktop-PC arbeitet, möchte diesen nicht mit ins Homeoffice nehmen. Heimarbeiter sollten also mittels eines Laptops arbeiten oder einen zweiten PC bekommen, welcher ausschließlich im Homeoffice Verwendung findet. Wird ein Laptop genutzt, sollten auch eine externe Tastatur, eine Maus und ein großer Monitor zur Verfügung gestellt werden, um dem Heimarbeiter das Arbeiten zu erleichtern.

Arbeitsplatz

Wer nicht allzu häufig zu Hause arbeitet, wird aller Voraussicht nach damit zurechtkommen, sein Lager am Esszimmer- oder Küchentisch aufzuschlagen. Idealerweise steht dem Heimarbeiter aber ein separater Raum zur Verfügung, der mit einem Schreibtisch und einem guten Bürostuhl ausgerüstet ist. Vorteil eines abgeschlossenen Raums ist, dass man sich einerseits ein wenig von Außeneinflüssen abschotten kann, andererseits aber auch zum Dienstende die Arbeit hinter sich lassen kann und nicht noch abends den Computer im Blick und somit nie wirklich Feierabend hat.

Teamwork

Ohne entsprechende Kollaborationssoftware gestaltet sich das entfernte Zusammenarbeiten im Team als schwierig bis unmöglich. Hier exemplarisch einige Anwendungen, mit denen man die Zusammenarbeit in verteilten Teams angenehmer gestalten kann.

Meetings

Gerade im agilen Umfeld finden täglich Meetings statt. Neben dem Daily gibt es noch das Refinement, das Sprint Review, die Sprint-Retrospektive und das Sprint Planning. All diese Meetings zeichnen sich dadurch aus, dass in Gruppen diskutiert und vorgestellt wird. Dabei reicht es oft nicht, sich in der Gruppe austauschen zu können, vielfach müssen auch viele Dinge visualisiert werden.  Von daher benötigt man nicht nur eine Software, mit der Gruppenanrufe und Videotelefonate geführt werden können, sondern auch der Bildschirminhalt einzelner Teilnehmer geteilt werden kann. In diesem Umfeld haben sich vor allen Dingen Microsoft Teams und Slack hervorgetan. Wichtig ist, dass Kommunikationsregeln eingehalten werden, damit Meetings nicht im Chaos enden:

  1. es kann immer nur eine Person reden
  2. den Sprecher ausreden lassen
  3. wenn etwas nicht verstanden wurde, nachfragen und dabei dass, was man verstanden hat wiederholen
  4. sich auf das Wesentliche konzentrieren, nicht abschweifen
  5. Timeboxing einhalten
  6. das Mikrofon stumm schalten, wenn man nichts zu sagen hat, um Hintergrundgeräusche zu minimieren
  7. Nutzung des Videochats nur, wenn es notwendig ist, um das Netzwerk zu entlasten

Zusammenarbeit am Whiteboard

Oftmals möchte man auch im Homeoffice gemeinsam Ideen ausarbeiten und benötigt dafür ein virtuelles Whiteboard, an dem mehrere Personen gleichzeitig arbeiten können. Dies kann ebenfalls mit dem mittlerweile in Microsoft Teams integrierten Microsoft Whiteboard erfolgen. Abseits des Microsoft-Kosmos gibt es zahlreiche Web-Whiteboards, als kostenfreie Alternative möchte ich awwapp anführen.

Arbeitsfortschritt dokumentieren

Während man im Büro jederzeit seine Mitarbeiter fragen kann, wie weit sie sind, gestaltet sich das im Homeoffice ungleich schwieriger. Deswegen ist es wichtig, dass der Arbeitsfortschritt toolbasiert dokumentiert wird. Eine einfache, kostenfreie Lösung hierfür ist Trello. Dort kann online oder per App in beliebigen Teams an konfigurierbaren Kanban-Boards Arbeit verteilt und der Fortschritt dokumentiert werden. Als kostenpflichtiges Tool möchte ich Jira von Atlassian anführen, welches ungleich mächtiger und höchst konfigurierbar ist.

Dokumentation kann webbasiert und kollaborativ mit Google Docs erfolgen. Ist dies von der Firma aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht erwünscht, kann im Firmennetzwerk auch Confluence von Atlassian genutzt werden.

Gemeinsam Programmieren

Um weiterhin in der Lage zu sein, Pair Programming zu betreiben oder bei Fragen, gemeinsam auf den Quellcode zu schauen, braucht man ein Tool, mit welchem man Bildschirminhalte teilen kann. Dies ist in Microsoft Teams bereits integriert. Dort kann auch die Steuerung des entfernten Rechners angefordert werden, so dass sogar gleichzeitig an den entsprechenden Codestellen gearbeitet werden kann. Als Alternative bietet sich TeamViewer an, mit dem ebenfalls Remote-Desktop-Sitzungen gestartet werden können.

Regeln für das erfolgreiche Arbeiten im Homeoffice

Arbeitsplatz

Zu Hause kann man an allen Orten arbeiten, im Bett, auf der Couch oder sogar im Klo – sollte man aber nicht. Wird an Plätzen gearbeitet, an denen auch die Freizeit verbracht wird, ist es schwieriger sich zu konzentrieren und in einen echten Arbeitsmodus zu wechseln. Umgekehrt ist es nach Feierabend dann auch nicht so einfach, zu entspannen.

Besser ist es, einen festen Arbeitsplatz zu haben, den man nach Abschluss seiner Tätigkeit hinter sich lassen kann. Idealerweise ist es ein abgetrennter Raum, es hilft aber auch schon, wenn man sich morgens immer an den gleichen Platz setzt, welchen man nach Dienstende aufräumt und so für eine Trennung von Arbeit und Privatleben sorgt.

Arbeitskleidung

Wer kein Problem damit hat, im Jogginganzug oder Pyjama zu arbeiten, kann diesen Tipp getrost ignorieren. Allen anderen sei gesagt, dass es durchaus hilfreich sein kann, sich wie im Büro zu kleiden, um eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der man sich besser konzentrieren kann.

Arbeitszeiten

Homeoffice wird oftmals damit angepriesen, dass die Arbeitszeit flexibler als im Büro gestalten werden kann. Dies kann allerdings den Effekt haben, dass man die Arbeitsphasen vor sich herschiebt, weil man keine festen Zeiten hat. Von daher ist es hilfreich, sich eine feste Anfangszeit zu setzen, um in den Arbeitsmodus umzuschalten.

Pausen

Pausen sind wichtig. Sie müssen aber nicht zu einem festen Zeitpunkt erfolgen (im Büro beispielsweise die allmorgendliche Frühstückspause oder das mittägliche Treffen in der Kantine), sondern immer dann, wenn man merkt, dass die Konzentration nachlässt. Dies kann nach 30 Minuten sein, vielleicht aber auch erst nach zwei Stunden. Die Pause sollte nur nicht am Arbeitsplatz erfolgen. Das Gehirn erholt sich besser, wenn man den Platz verlässt, sich für ein paar Minuten auf den Balkon setzt oder eine Runde um den Block dreht. Wer mit festen Intervallen arbeiten möchte oder generell Schwierigkeiten mit der Konzentration hat, kann sich der Pomodoro-Methode bedienen. Dies ist ein Zeit-Management-Technik, in der man sich einen Timer stellt (25 Minuten) und in dieser Zeitspanne konzentriert arbeitet. Nach Ablauf des Timers wird eine kurze Pause gemacht, bevor der nächste Timer gestellt wird. Nach vier Intervallen wird eine längere Pause gemacht.

To-Do-Listen

Es kann hilfreich sein, morgens eine To-Do-Liste mit Aufgaben anzulegen, die man im Laufe des Arbeitstages abschließen möchte. Dies hilft dabei, sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren und den persönlichen Fortschritt nachzuhalten. Es kann auch Sinn machen, eine zweite Liste anzulegen, auf die man alle Dinge schreibt, die einem Abseits der Arbeit durch den Kopf gehen, sei es, dass man noch fürs Essen einkaufen muss, den Hausputz zu erledigen hat oder sich einfach nur darüber aufregt, dass der Postbote gerade in der tiefsten Konzentrationsphase klingelt. Das Aufschreiben hilft einfach dabei, die Sachen aus dem Kopf zu bekommen und sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren.

Belohnungen

Die Motivation kann zu Hause leiden, da niemand da ist, der einen nach einer erfolgreich bearbeiteten Aufgabe lobt und man das Gefühl bekommen kann, dass es keinen Unterschied macht, ob man seinen Teil der Arbeit erledigt oder nicht. Damit dieses Gefühl gar nicht erst aufkommt, sollte man sich einfach selbst belohnen. Wie diese Belohnung aussieht bleibt dabei jedem selbst überlassen; für den Einen wirkt Schokolade Wunder, die Andere schwört darauf, eine kleine Runde Ihres Lieblingsspiels zu absolvieren.

Absprachen

Ein weiterer wichtiger Aspekt, um konzentriert von zu Hause zu arbeiten sind Absprachen. Mit den Arbeitskollegen muss klar kommuniziert werden, wann und wie man zu Hause erreichbar ist und - ebenso wichtig - wann man Abwesenheiten einplant. Informierte Kollegen können auf den Zeitplan des Heimarbeiters Rücksicht nehmen. Auf der anderen Seite müssen klare Absprachen mit der Familie getroffen werden. Dort sollte man erklären, dass man arbeitet und dabei, genau wie im Büro, nur im Notfall gestört werden darf. Das Verständnis der Familienmitglieder ist für ein erfolgreiches Homeoffice unabdingbar.

Feierabend

Der Nachteil am Homeoffice ist, dass man am Ende eines Arbeitstages nicht nach Hause gehen kann, weil man bereits zu Hause ist. Daher ist es verlockend, bei nicht abgeschlossenen Aufgaben den Tag noch ein wenig zu verlängern, obwohl man bereits hart und konzentriert durchgearbeitet hat. Dadurch steigt die Gefahr, permanent mehr Arbeit zu leisten und sich somit zu überarbeiten. Stattdessen sollte ein fester Feierabend eingeplant, der Arbeitsplatz verlassen und ein Schlussstrich unter den Arbeitstag gezogen werden.

Fazit

Homeoffice ist ein komplexes Thema, welches nach individuellen Lösungen für die Allgemeinheit sucht. Was für Person A funktioniert, ist für Person B vielleicht ein absolutes no go. Auf jeden Fall ist es wichtig, dass bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden, um überhaupt eine Chance zu haben, effektiv von zu Hause zu arbeiten. Wenn man sich an die hier besprochenen Standards zur verteilten Teamarbeit hält und zu Hause die aufgeführten Regeln befolgt, stehen die Chancen gut, erfolgreich im Homeoffice zu arbeiten.

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